... Als wir im Ocean-Center eintreffen, erspähen wir unseren Piloten sofort. Er steht konzentriert vor dem Bildschirm eines der Computer. Seine Augen beobachten James Orbing bei der Arbeit. Der Meeresbiologe ist gerade dabei, eine wissenschaftliche Dokumentation über die Meeresbewohner der Umgebung zu verfassen. Anscheinend konnte er das Aussterben dreier Fischarten beobachten, weiht uns Jacob sogleich ein. Dann lotst er uns zu einem der Tische. Mit ernster Miene deutet er auf einen ganzen Stapel an Aufzeichnungen. Oben gut sichtbar ist ein Ordner, auf dem das Wort AOPAWAI geschrieben steht. „Ich konnte vorhin, als Orbing kurz nach draußen ging, ein wenig in den Unterlagen schnüffeln“, berichtet er. „Die Pläne haben wir ja bereits gesehen. Nichtsdestotrotz finden sich außer einigen neuen Kostenaufstellungen auch eine Vielzahl an Produktblättern verschiedenster Materialien.“ „Klingt nicht besonders spannend, Jacob“, unterbricht Carlos, aber der Pilot setzt einen triumphierenden Blick auf. „Lass mich bitte erst einmal ausreden. Ich habe auch eine Liste einiger chemischer Wirkstoffe gefunden.“ Allgemeines Schweigen breitet sich aus. „Wirkstoffe?“, meine Frage klingt nicht nur verblüfft, sondern auch zweifelnd. Wozu würden welche Wirkstoffe gebraucht werden? „Nun, ich bin kein Chemiker, aber das Ganze klingt nach komplizierten medizinischen oder chemischen Substanzen.“ Schnell zeigt er uns ein Bild. Er hat die Seite der Substanzen tatsächlich abfotografieren können.

 

          C20H25N3O

          C11H17NO3

          C12H17N2 O4 P

          C11H15NO

          C10H15N

 

Ich kann sehr schnell erkennen, um welche Substanzen es sich bei dieser Auflistung handelt. „Das ist eine Aufzählung von Drogen“, teile ich nüchtern mit und ernte vorerst betroffene Grabesstille, die mich zur Erklärung zwingt. „Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um LSD, Meskalin, Psilocybin, Mephedron und Crystal Meth.“ „Wieso weißt du das?“, zeigt sich Jacob über meine Kenntnisse erstaunt. „Ach, Jacob, als Anwalt habe ich oft genug mitbekommen, wie Menschen damit ihr Leben zerstört haben. Alle diese Substanzen machen dich mehr oder weniger abhängig und meistens braucht man eine Menge Geld, um diese Stoffe zu bezahlen. Junge Menschen werden nicht selten zu Dieben, damit sie sich ihren Drogenkonsum finanzieren können.“ „Ich dachte, du hast bloß größere Übeltäter vertreten.“ Schmunzelnd folgt meine Antwort. „Jacob, auch ich habe klein angefangen. Ich hatte nicht sofort eine gut florierende Kanzlei. So wie du als Pilot habe ich von der Pike auf lernen müssen. Ich nehme an, du konntest auch nicht auf Anhieb einen Airbus fliegen.“ Er nickt zustimmend. „Okay, also das ist eine Auflistung verschiedener Drogen. Ich frage mich, wozu die bei diesem Projekt gebraucht werden?“ „Man könnte annehmen, dass diese Liste wohl eher zufällig in die Akten gelangt ist, Emily.“ Anders kann ich mir so eine Tabelle von chemischen Substanzen nämlich nicht erklären. Doch Carlos wirkt sogleich sehr nachdenklich. „Wenn jemand Drogen konsumiert, würde er wahrscheinlich kaum die chemischen Formeln angeben. Ich habe noch nie einen Süchtigen gehört, der diese Bezeichnungen verwendet hätte. Das deutet, wenn überhaupt, eher auf einen Dealer hin. Das ist höchst seltsam.“ Irgendwie hat Carlos nicht ganz unrecht. Mein Blick auf die folgenden Namen der Liste, sie sind deutlich durch einen Absatz von den chemischen Formeln getrennt, helfen mir jedoch gar nicht weiter.

 

          Panaeolus Cyanescens

          Pholiotina Smithii

          Conocybe Cyanopus

          Mycena Cyanorhiza

          Psilocybe Cubensis

 

Jacob liest erst murmelnd, zeigt sich dann allerdings zappelig. „Also, ich glaube, das hier sind Namen von Pflanzen. Zumindest klingen diese Wörter sehr danach.“ „Gut, das ist absolut nicht überraschend. Immerhin arbeitet ein Meeresbiologe an dem Projekt, weshalb mich solch eine Liste deshalb weniger verwundert.“ „Hey, fragen wir doch mal Google“, ruft Carlos. Mein Blick fängt gerade noch die, sich hinter Orbing schließende Tür, ein. Eine neuerliche Rauchpause wird somit eingeläutet und gibt uns die Möglichkeit, der Sache nachzugehen. Bald ertönt Carlos’ Ausruf. „Das sind allesamt Pilze.“ „Ich nehme an, jeder davon ist giftig“, klinkt sich Emily ein, während ich glaube, zu verstehen. „Das sind psychoaktive Pilze.“ Drei Augenpaare sind auf mich gerichtet. „Na, die Inhaltsstoffe der Pilze sind allesamt Halluzinogene. Es handelt sich also um drogenähnliche Substanzen. Seht doch, die Anmerkungen hier!“ „Ich finde, diese Aufzählung ist trotzdem höchst merkwürdig. Wozu notiert jemand erst Drogen und dann giftige Pilze? Was will man mit diesen gefährlichen Substanzen? Und wie passen die in das Projekt?“ Ich wollte, ich könnte Emily antworten, aber tatsächlich ist für mich kein direkter Zusammenhang zu erkennen. Inwiefern könnte das mit dem Projekt der Kuppeln unter Wasser überhaupt zu tun haben? Vor allem frage ich mich, ob es möglich ist, dass das Projekt AOPAWAI gar nicht zu unserer Aufgabe gehört? Geht es bei unserem Auftrag etwa um etwas vollkommen Differentes? „Übrigens, ich habe neue Koordinaten für euch“, meldet sich plötzlich Jacob wieder zu Wort. „Ich habe nachgesehen, es handelt sich um eine kleine Insel im Pazifischen Ozean.“ Ich möchte sofort wissen, in welchem Zusammenhang sich diese Notiz im Akt befindet. „Es ist bloß ein einzelnes Blatt. Ich konnte ein wenig recherchieren. Es handelt sich um San Nicolas Island. Soweit ich weiß, gehört diese Insel der Navy. Angeblich werden dort Raketen des US-Militärs getestet.“ „Okay“, dröhnt Carlos’ Stimme durch den Raum, „wir haben also eine Stadt unter Wasser, bestehend aus großen Kuppeln, eine Akte zum Projekt, die mit einer Liste von Drogen und giftigen Schwammerln aufwartet. Weiters haben wir einen Bürgermeister, der leicht schwitzt und einen Senator, der gerne Partys feiert. Außerdem bekriegen sich die beiden in der Öffentlichkeit, während sie im Geheimen wohl Hand in Hand arbeiten. Orbing, der Biologe, ist für das Projekt. Subside, der Geologe, jedoch nicht. Und nun kommt auch noch die Navy mit ins Spiel. Kann mir einer von euch bitteschön irgendeinen logischen Zusammenhang all dieser Tatsachen erklären?“ „Herzlichen Glückwunsch, Carlos. Du hast eben eine komplette Zusammenfassung getätigt“, gratuliere ich. „Aber – wie was genau zusammenhängt, kann ich mir momentan leider auch nicht vorstellen.“ ...