Die Rache des Investors

… Angus Dosley stolperte unsicher hinter seinem neuen Chef her und trat schließlich erwartungsvoll in das Büro seines Vorgesetzten. Natürlich, Jefferson gab sich nicht mit einem dezenten Stil zufrieden. Es empfing ihm vielmehr ein übergroßer Raum mit kostbaren und edlen Möbelstücken aus dunklem und poliertem Holz. Großflächige Fenster ließen ungehindert den hellen Sonnenschein ins Innere des Raumes fluten und gaben außerdem einen atemberaubenden Rundblick über Manhattan und den Hudson River frei. Zu rechter Hand war ein kleiner runder Besprechungstisch platziert, wo zwei Herren in schwarzen Anzügen gekleidet warteten.

„Darf ich vorstellen …“ Jefferson eilte zu den Herren in Schwarz. „Das sind der ehemalige Bürgermeister von Wahikala, Mr. Lanji sen. und sein Sohn, der momentan amtierende Bürgermeister, Mr. Lanji jun.“

Lanji sen. war ein beleibter älterer Mann mit Glatze und Brille, die fast übermächtig einen Großteil seines Gesichtes verdeckte. Sein Doppelkinn war mindestens genauso groß wie seine Brille. Sein Sohn war von schlanker Statur, braun gebrannt und ohne Brille. Seine gepflegten weißen Zähne blitzen auf, als er Dosley begrüßte.

„Freut mich Sie kennenzulernen. Ich bin übrigens nicht der Bürgermeister, sondern Inhaber von FoodArt Inc. – in der Tigertail Avenue Ecke Oak Avenue angesiedelt. Mein Vater ist der Politiker in der Familie.“

Dosley nickte und runzelte die Stirn. Wahikala? Das war die Hauptstadt der Insel Paralani in der Karibik, auf der 1975 der Vulkan ausgebrochen war. Seines Wissens nach war diese Insel bis dato unbewohnbar und Sperrgebiet. Von einem amtierenden Bürgermeister hatte Dosley bisher ebenso wenig gehört. Anscheinend war dieser Posten nur der Traum eines ehemaligen Politikers, der sich nicht mehr großer Bekanntheit erfreute.

„Nun, es kann losgehen“, begann Jefferson zu Dosley gerichtet „Wie

Sie sicherlich wissen, ist Mt. Lacor im August 1975 ausgebrochen. Eine furchtbare Katastrophe, die vielen Menschen das Leben gekostet hat. Aber der Vulkan ist zur Ruhe gekommen und scheint zu schlummern. Wir sind von den beiden Lanjis beauftragt worden, die derzeitig vorherrschende Lage zu eruieren.“

Lanji jun. verwies schnell auf seinen Vater. „Der Auftraggeber ist mein Vater. Ich habe mich heute nur bereit erklärt, ihn zu begleiten.“

„Ja, ja, ist schon gut …“

Dosley unterbrach Jefferson mit einem kurzen Einwand. „Die Insel ist Sperrgebiet!“

„Genau, das ist uns auch bekannt. Aber das gilt momentan nur für die Öffentlichkeit. Vulkanologen halten sich fortwährend in diesem Gebiet auf und installieren beziehungsweise warten Überwachungsgeräte und seit einem Jahr bietet eine Reisegesellschaft sogar Ausflüge auf die Insel an.“

Jefferson sprach mit fester Stimme und Dosley war klar, dass er keinen Einspruch akzeptieren würde. Eine Frage brannte ihm trotzdem auf den Lippen.

„Was soll ich dort genau untersuchen und vor allem wozu?“

Lanji sen. holte tief Luft und sein Doppelkinn vibrierte.

„Wir wollen die Insel erneut aufbauen und bevölkern. Wir haben Pläne zum Aufbau der Infrastruktur erarbeitet und wollen einen Tourismusspot für Urlauber schaffen. Sie wissen schon, für Geschäftsleute, die einmal fernab der Öffentlichkeit ihren Urlaub unerkannt verbringen wollen.“

Dosley Augen weiteten sich merklich. Er konnte kaum glauben, was er hörte. Diese Pläne schienen für ihn unglaublich und total unrealistisch zu sein. Außerdem fragte er sich, warum schon wieder Platz für erlauchte Persönlichkeiten und vor allem gut zahlende Kunden geschaffen werden würde. Dem normalen Bürger könnte diese Insel somit nicht mehr zur Verfügung stehen. Unentwegt ging es um große Einnahmen. Keiner konnte genug davon bekommen.

Sein noch gar nicht vorgebrachter Einwand wurde von Jefferson energisch abgeschnitten, der sich lächelnd erhob und sich schnell von beiden Lanjis verabschiedete.

„Sie sehen, unser Projekt ist bei Mr. Dosley in den besten Händen. Er wird die Pläne durchsehen und sich vor Ort ein Bild über die Durchführbarkeit machen. Ich werde mich schon bald mit Ihnen in Verbindung setzen und diesbezüglich einen Bericht vorlegen.“

Dosley blickte den beiden Herren nachdenklich hinterher und wandte sich sofort nach deren Verschwinden an Jefferson.

„Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Man kann die Insel nicht so einfach wieder bevölkern. Der Vulkan ist viel zu gefährlich!“ „Und das Land ist fruchtbar und schnell wieder eine Oase von überwältigender Schönheit“, fiel Jefferson seinem Angestellten ins Wort. „Ich habe Sie nicht eingestellt, um Fragen zu stellen, sondern um Aufträge zu erledigen. Wir verdienen bei der Durchführung dieses Projekts einen großen Batzen Geld.“

„Das ist wohl das Wichtigste?“, empörte sich Dosley. Jeffersons Blick wurde streng. „Ja, Mr. Dosley. Wir sind eine Investmentfirma und Geld verdienen ist unser Ziel. Bei diesem Projekt können wir sogar sehr viel Gewinn erwarten. Vergessen Sie nicht, dass auch Sie davon profitieren werden. Hier sind die notwendigen Unterlagen“, er reichte Dosley eine dünne Flügelmappe. „Ihr Flug geht nächste Woche. Sie haben also genügend Zeit sich vorzubereiten. Bella hat die Tickets bereits reserviert.“

 

Dosley wurde so schnell aus dem Büro komplementiert, dass er gar nicht realisierte, dass er von nun an einen Auftrag zu erledigen hatte, den er gefühlsmäßig nicht einmal unterstützte. Er war überrumpelt worden, und das an seinem ersten Arbeitstag. So hatte er sich seinen Einstieg in die Berufswelt nicht vorgestellt …